Audi TT Roadster – Teutone mit Charisma

Bietet dem Wind die Stirn

Auf die Gefahr hin Ärger und Schelte zu ernten: Ich war kein Fan des aktuellen Audi TT. Auf den ersten Blick erschien mir der Ingolstädter zu weit entfernt vom Ursprungsbild, zu aggressiv und zu überzeichnet. Die Vertiefungen an den Innenseiten der Frontscheinwerfer? Was soll das? Der übergroße Sechskant-Grill? Zu überdimensioniert. Das Heck? Zu rund und mit den beiden, zur Fahrzeugmitte hin installierten, Auspuffrohren gewöhnungsbedürftig. Einzig das Cockpit gefiel mir von der ersten Stunde an. Aber was soll ich sagen: Ich sah in live. Ein Blick, zwei Blicke, Tausend und ein Blick… und es hat ZOOM gemacht.

Die nach innen eingerückten Scheinwerfer haben nun ihren Reiz und bringen Eigenständigkeit an die Front des Audi TT. Endlich ein Ingolstädter, der sich von der restlichen Familie abgrenzen kann. Der breite sechseckige Kühlergrill ist wiederum eine typische Audi-Insignie und darf auch am Sportcoupé nicht fehlen. Und an das Heck habe ich mich mittlerweile auch gewöhnt.

Hier dreht es sich aber nicht nur um den TT, sondern um den Audi TT Roadster. Und in dieser Form ist er sich recht treu geblieben: Vorn fast genauso lang, wie hinten, sind die Passagiere ziemlich mittig angeordnet und verweilen – bei Bedarf – unter einem engen Stoffmützchen. Das ist angenehm, da Stoffverdecke heute keinen großen Nachteil gegenüber Klappdächern bergen. Schließlich können sie genauso gut geräusch-gedämmt werden, wie ihre Pendants mit Kunststoff- oder Metalldach.

Dabei sparen sich Stoffverdeck-Cabriolets aber die lästigen Kilos. Einziger Nachteil: Ihre Anfälligkeit gegen Vandalismus. Dagegen kann sich auch der TT nicht wehren. Dafür zeigt er sich wie ein klassisches Cabrio – weniger wie ein Roadster, wie es der Name eigentlich sagt. Eine Gasdruckfeder hält die Motorhaube sicher oben oder damit die Motorhaube nicht nach unten fällt wird diese ducrch eine Gasdruckfeder sicher offen gehalten. Attribute, die nicht zum Audi TT Roadster gehören. Aber stört das? Eher weniger!

Seit jeher ist der TT schließlich ein Plattform-Bruder des VW Golf. Das ist auch beim aktuellen Ingolstädter der Fall – modularer Querbaukasten hin oder her. Und auch das ist kein Nachteil. So kommt es natürlich auch, dass der Audi TT Roadster entweder die Vorderräder oder alle Viere antreibt. Quattro ist hier das Stichwort. Wobei der Allradantrieb nicht permanent arbeitet, sondern eine Hang-On-Lösung darstellt. Das spart Sprit und arbeitet so zügig, dass diese Arbeitsweise im Alltag nahezu unbemerkt bleibt. Doch unser Testwagen war ein reiner Fronttriebler, dem es bei feuchtem Untergrund und nur vorsichtigem Gaseinsatz durchaus an Traktion mangelte.

Die 230 Turbo-PS des 2.0 Liter Direkteinspritzers machen aus dem Audi TT Roadster nämlich alles, nur keinen müden Möchtegern-Sportler. Satte 370 Nm drückt der Vierender bereits bei 1.600 Umdrehungen in der Minute auf die Kurbelwelle und hält sie bis 4.300 Rotationen konstant – ein wirklich breites Plateau. Das macht – auch in Verbindung mit der S Tronic – ein schaltfaules Fahren möglich. So sortiert das Doppelkupplungsgetriebe mit sechs Gängen zügig einen hohen Gang ein und ermöglich durch die breite Drehmomentwoge jederzeit stämmigen Durchzug.

Will man es wirklich wissen, schaltet der Doppelkuppler in Windeseile herunter, sodass man schnell in Geschwindigkeitsbereiche vorstößt, die zwar spaßig sind, aber auch sehr gefährlich für den Führerschein sein können. Doch der Druck des 2.0 TFSI ist einfach zu verführerisch: Mit DSG und optimalen Straßenverhältnissen lässt sich der adrette Roadster in 6,1 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und kennt erst bei 250 limitierten km/h ein Ende. Die allradgetriebene Variante absolviert den Standard-Sprint sogar nochmals 0,5 Sekunden schneller.

Eine weitere wichtige Angabe: 50 km/h! Warum das? Bis zu diesem Tempo lässt sich das Dach während der Fahrt elektrisch öffnen oder schließen. Und einen Roadster – oder zumindest Audis Interpretation eines Roadsters – genießt man doch am liebsten offen, oder? Und so muss man nicht rechts ranfahren, sondern nur ein paar Augenblicke dahingleiten, bis man das sportliche Potential des Bayern wieder voll auskosten kann. Und das hat es wirklich in sich.

Es ist nicht nur die Kraft des Vierzylinder-Turbos, die einfach anmacht, sondern das ausgewogene Fahrerlebnis Audi TT selbst. Und die genießt man am besten ungefiltert: Also Scheiben und Windschott runter, Schal und Mütze justiert und gib ihm. Jederzeit berechenbar und sich satt mit der Straße verklebend, pfeilt der TT um jede Biegung. Noch etwas behänder also ohnehin schon, würde der TT Roadster nur mit der Progressivlenkung fahren, aber auch ohne macht er einen Heidenspaß.

Der Fahrtwind pfeift nur so durchs schnörkellos-reduzierte Cockpit und macht einem immer wieder klar, dass man eigentlich in Südfrankreich wohnen müsste, um jeglichem Cabrio gerecht zu werden. Hier ist es in der Regel trocken – und gerade das Braucht der Fronttriebler. Meint man es in engen Kurven zu gut mit dem Gas, bremst einen das ESP mitsamt Traktionskontrolle sanft ein. Dafür ist der Roadster aber jederzeit beherrschbar und sein Chassis so steif, dass allein der Gedanke an ein Knacken im Innenraum vollkommen absurd erscheint.

Solidität ist aber auch der zweite Vorname Audis. Der Innenraum wirkt so fein und edel, dabei aber gleichzeitig so unverwüstlich, dass man hier sogar mit einer Abrissbirne keinen Schaden anrichten könnte. Ok, versucht haben wir es nicht, aber die Metapher spricht wohl für sich. Spannend ist hier vor allem die Gestaltung. Ein großer Navi-Bildschirm im der Mittelkonsole? Fehlanzeige! Doch auf ein Infotainment oder einen hilfreichen Wegweiser – geschweige denn auf Musik – muss dennoch niemand verzichten. Der Schlüssel ist hier das Mäusekino à la „Audi Virtual Cockpit“. Hier lassen sich alle wichtigen Informationen direkt dort einblenden, wo sie benötigt werden: Vor der Nase des Fahrers. Das unterstreicht zum einen den praktischen Anspruch Audis, zeigt zum anderen aber auch, dass der Audi TT Roadster ein echtes Fahrerauto sein will.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber zumeist auch, dass der Fahrer die Navigationsaufgabe oder Bedienung des Infotainments übernehmen muss. Zwar kann man als Beifahrer auch auf die virtuellen Instrumente blicken, doch greift man dem Fahrer irgendwie dazwischen – gefühlt zumindest. Und wir kennen doch alle die Situation, in der man mit dem Fahren und der Einstellung des Reiseziels gleichzeitig etwas überfordert ist, oder? Wie angenehm, dass man sich ansonsten gut aufgehoben im TT Roadster fühlt. Auch Großgewachsene finden hier gute Platzverhältnisse vor und können es sich auf den großzügigen Sportsitzen bequem machen.

Etwas ungelenk erscheint nur die Bedienung über das Multifunktionslenkrad. Durch viele Tasten durchschaut man das System nicht blind – hier empfiehlt sich die Bedienung über den MMI-Controller. Der ist glücklicherweise an Ort und Stelle geblieben und gibt keinerlei Rätsel auf. Absolut geglückt ist hingegen die Integration der Klimaautomatik: Sie verbirgt sich in den drei Lüftungsdüsen in der Fahrzeugmitte. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Mut von der Norm abzuweichen!

Was bleibt also zum Schluss zu sagen? Ist der Audi TT Roadster ein klassischer, langweiliger Teutone? Jein! Er ist ein Teutone – ganz klar. Verarbeitung, Wertigkeit und Ausgereiftheit erreichen hier ein Level, bei dem sich die Konkurrenz enorm anstrengen muss, um mitzuhalten. Langweilig ist der Audi TT Roadster indes keineswegs. Er sieht aufregend aus, fährt sich sportlich, strengt mit seinem Sportsgeist aber nicht an und gibt einem stets das Gefühl, gerade ein besonderes Fahrzeug zu bewegen. Ein großer Wurf also, der eigentlich nur durch den Allradantrieb „quattro“ verbessert werden könnte. Das würde den aber ohnehin nicht gerade günstigen Einstiegspreis von 40.500 Euro nochmals steigern. Setzt man auf der ausführlichen Aufpreisliste noch ein paar Kreuzchen, also beispeilsweise für die empfehlenswerten Matrix-LED-Scheinwerfer oder hübsche Aluräder, werden daraus schnell 58.600 Euro, wie beim Testwagen. Kleiner Tipp: Das Coupé, das sich für unsere Breitengerade wohl etwas besser eignet, ist etwas günstiger zu bekommen.

Weitere Informationen findet ihr unter www.audi.de