Nachwuchsprobleme im Fußball: Auf dem Platz und vor dem Fernseher

Der Fußball steckt in Deutschland in der Krise. Das Abschneiden der Nationalmannschaft konnte auch bei dieser EM nicht überzeugen, in der höchsten Spielklasse scheint der Meistertitel beinahe schon gesetzt und interessante Teams schaffen es nicht mehr, oben mitzuhalten und steigen ab. So unken Experten und Fans gleichermaßen, dass die Erste Bundesliga uninteressanter ist als alles, was darunter kommt. Und auch der Nachwuchs ist eher rar gesät – dies betrifft viele Länder, den spielerischen Nachwuchsbereich, aber auch die nachkommenden Fans auf den Tribünen und vor dem Bildschirm. Nachfolgend werden die Nachwuchsprobleme etwas genauer unter die Lupe genommen.

Nachwuchsprobleme bei Spielern

Seit Jahren ist es den Profiklubs vorgeschrieben, einen eigenen Nachwuchsbereich zu unterhalten. So entstanden Akademien, Trainings- und Leistungszentren und neue Kadermannschaften im DFB-Bereich. Die Förderung findet also auf hohem Niveau statt, doch beginnt die Problematik weit davor. Doch welche Gründe haben dazu geführt, dass der DFB zwischen 2009 und 2019 ca. 18 % seiner Nachwuchsmannschaften und 9 Prozent seiner jugendlichen Mitglieder verloren hat?

Immer weniger Kinder spielen Fußball

Viele kennen es noch aus ihrer Kindheit: War ein ballähnliches Objekt zugegen, so wurde gebolzt. Egal wo, egal wie, aber Fußball war immer mit dabei. Heute ist es oft nicht mehr so, sodass der Untergang des Nachwuchsbereichs etliche Gründe hat:

Nachwuchsprobleme im Fußball: Auf dem Platz und vor dem Fernseher
  1. Räumliche Einschränkungen

Die enge Bebauung erlauben das einfache Bolzen vielerorts nicht mehr. Ballspielen ist häufig verboten oder unmöglich. Wenn man bedenkt, dass einige der größten Fußballer von eben diesen Straßenbolzplätzen stammten, wird klar, dass viel verloren geht.

  1. Kosten

Die Gebühr für Fußballvereine auf der Breitensportebene ist niedrig, wird teils sogar vom Amt übernommen. Doch finanzschwache Familien haben oft nicht das Geld für die Ausstattung des Kindes. Schuhe, meist halten sie nur ein Jahr, Sportkleidung, Schienbeinschoner – ist ohnehin das Geld knapp, sind das hohe Ausgaben.

  1. Zeit

Früher ging die Schule bis 13:30 Uhr, später auch mal mit 14:20 Uhr. Hausaufgaben ließen sich in kürzerer Zeit erbringen, so dass viel Zeit war, um sich mit Freunden zu treffen oder zum Training zu gehen. Die Schulzeiten reichen heute aber gerade in den weiterführenden Schulen bis weit in den Nachmittag hinein und daheim muss gelernt werden. Für Sport fehlt oft schlichtweg die Zeit.

  1. Konkurrenz

Fitnessstudios, andere Sportarten, die bei in den Altersgruppen ab der B-Jugend besonders im Trend liegen, aber auch das mediale Unterhaltungsangebot stehen dem Training und der Fußballbegeisterung im Weg. Zuletzt dürfte auch der eSports-Bereich dazu beitragen, denn warum soll sich ein Spieler körperlich auf dem Platz anstrengen und sich mitunter die Beine grün und blau treten lassen, wenn er in FIFA-Spielen an der Konsole glänzen kann?

Zumal ist Fußball sehr stationär. Begeisterte Spieler müssen feste Stätten aufsuchen, einen festen Verein haben. Experten raten schon dazu, Fußball-Erlebniseinrichtungen zu erdenken, die immer und jedem offenstehen.

Das Dilemma der Akademien

In den Fußballakademien der Vereine oder des DFB werden nur die Spitzenspieler aufgenommen. Scouts sind ständig unterwegs und werben Spieler im jungen Alter an. Fest in Akademien sind förderungsfähige Spiele ab der U15, teilweise auch der U16 stationiert. Jüngere Spieler erhalten andere Förderungen, sodass sie weiterhin daheimbleiben. Doch auch in den Akademien kommen noch Kosten auf die Eltern hinzu. Während Unterbringung und Ausbildung, wie auch die Sportbekleidung ganz oder teilweise übernommen werden, tragen die Eltern die Kosten für gewöhnliche Kleidung und die Heimatfahrten.

Das eigentliche Dilemma ist auch dem DFB bekannt oder aus einigen Spitzenakademien zu hören: Viele Trainer richten die Jugendlichen auf einen fixen Spielstil ab, ohne sie in der Breite zu trainieren. Während einigen Talenten die Fähigkeiten durch die Umstellung verloren gehen, können sich andere später gar nicht durchsetzen, weil sie nach einem bestimmten Schema trainiert wurden. Dieses Schema spielen aber schon zig internationale Spieler, die in der Hierarchie vor ihnen stehen.

Auch für die Vereine ist der Nachwuchsbereich ein echter Kostenpunkt, der selten aufgeht. Natürlich gibt es Talente wie Moukoko, doch viele Nachwuchstalente schaffen es nicht einmal, sich in den U-Teams oder den Zweitvertretungen der Profiklubs zu behaupten. Die strenge Nachwuchsregelung ab Liga 3 und tiefer konnte das Problem noch nicht beheben: Viele Jungspieler verharren auf einem Niveau und bleiben ständig zwischen der Regional- und der dritten Liga hängen.

Nachwuchsprobleme im Fußball: Auf dem Platz und vor dem Fernseher

Nachwuchsproblem bei den Fans

Der Nachwuchs im Fußball ist ein sich schließender Kreis. Ohne begeisterte Fans gibt es weniger begeisterte Spieler und ohne begeisterte Spieler wiederum keine begeisterten Fans. Florentino Perez geht sogar so weit, zu sagen, dass man Kindern und Jugendlichen keine 90 Minuten mehr zumuten kann. Aber warum ist das so? Ältere Fans mögen nun auf ihre Jugend verweisen und auf ihre damalige Begeisterung, doch:

  • Taktikspiele – Fußball ist heute enorm von Taktik geprägt. Für Liebhaber taktischer Spiele und ältere Fans mag das eine Augenweide sein, doch junge Menschen ist ein taktisches Spiel oft nur ein langweiliges Herumgeschiebe des Balls über neunzig Minuten. Ständige Passspiele in der eigenen Hälfte mögen die Dominanz des Teams offenbaren, doch spannend ist dies nicht unbedingt immer.
  • Langeweile – viele Fußballspiele werden insbesondere von den 16 – 24-Jährigen als langweilig empfunden. Zwischen den spannenden Szenen geschieht zu wenig, sodass Zuschauer sich ablenken lassen. Das Warten auf VAR-Entscheidungen wird zu der Langeweile beitragen. Darüber hinaus zeigt sich immer mehr der erdrückende Erfolg der großen Mannschaften. Das wirkt sich neben der Leidenschaft zwischen unterschiedlichen Fangruppen im Freundeskreis und den damit verbunden Diskussionen und gemeinsamen Fußballabenden vor dem Fernseher oder im Stadion auch auf das Interesse an Sportwetten im Fußball aus. Wer heute beispielsweise auf Bayern setzt, erhält abhängig vom Anbieter oft eine geringe Quote. Das macht nicht nur potenzielle Wetten auf Spiele langweilig, sondern senkt den allgemeinen Unterhaltungswert der Wettbewerbe. Die 2-3 Spitzenteams dominieren oft über die gesamte Saison hinweg.  

Aber das sind die nicht einzigen Gründe. Fußball ist auch für reine Fans zu einem elitären Sport geworden. Die Ticketpreise sind schon in den Regionalligen mit weit über 10,00 Euro hoch, in den Bundesligen kosten Stehplätze nicht selten 20,00 Euro und mehr. Zugleich nimmt das TV-Vergnügen immer weitere finanzielle Hürden. Je nach Begehren benötigen Fans diverse Abos, nur, damit sie ihren Verein möglichst in allen Wettbewerben sehen. Auch dies trägt zum nachlassenden Interesse der Nachwuchsfans bei, denn welcher junge Erwachsene kann sich mühelos zwei TV-Abos plus Stadionbesuche leisten?

Nachwuchsprobleme im Fußball: Auf dem Platz und vor dem Fernseher

Wie lässt sich Fußball wieder attraktiver machen?

Das Problem des Fußballs muss auf ganzer Breite angegangen werden. Die Preisgestaltung und die aufgerufenen Transfersummen sind vielfach ein weiteres Problem, denn es fällt schwer, sich mit Spieler zu identifizieren, die 200 Millionen wert sein sollen oder die, wie zuletzt Goretzka in Bayern, der angeblich 20 Millionen statt der gebotenen 12 Millionen jährlich verdienen möchte. Allgemein gilt:

  • Breitensport – er ist die Basis für Fußball. Die örtlichen Angebote müssten erneuert und verbessert werden. Dabei gilt insbesondere für ältere Jugendliche oder Erwachsene, dass sich die Zeiten besser auf das Berufsleben anpassen müssten.
  • Förderung – eine Förderung darf nicht erst im Leistungsbereich beginnen, sondern muss weit davor starten. Finanziell schlecht aufgestellte Familien dürfen durch den Fußball keine Geldsorgen haben.
  • Nachwuchsförderung – die Akademien müssen technisch und in ihrer Ausrichtung überdacht werden. Zumal muss die finanzielle Last von kleineren Vereinen genommen werden, die ihre U-Mannschaften gerade während Corona auflösen mussten, weil die Kosten nicht zu tragen waren.
  • Attraktivität – wünschenswert wäre sicher mehr Kampf im Fußball, doch ist dies kaum zu fordern. So müsste eventuell wirklich Florentino Perez Vorschlag gefolgt werden, die Halbzeiten zu verkürzen oder das Spiel zu dritteln.
  • Nähe – der Fußball muss zum Fan kommen, um nicht an Relevanz zu verlieren. Die Priorisierung der TV-Gelder zulasten der Fans wird künftig zu immer heftigeren Protesten der Fanszenen und zum Abwenden vom Profifußball führen. Wer heute von der Champions League bis zur dritten Liga alles sehen möchte, der benötigt ein Sky-Abo, DAZN und Magenta Sport. Je nach Tarif und Kundenzugehörigkeit zahlt ein Fan somit allein für den Fußball knapp 50,00 Euro an TV-Abos – im Monat.

Fazit – Änderungen auf allen Ebenen notwendig

Der Fußball von heute distanziert sich von den Fans. Schon der Marketingslogan ›die Mannschaft‹ trägt als absolut austauschbarer Begriff wenig zur Identifikation mit Kroos, Neuer und Co. bei. Die Kosten für den gewöhnlichen Fan schließen zudem einen großen Bevölkerungsanteil aus, denn wer den Mindestlohn verdient, der wird kaum die fünfzig Euro für die TV-Abos stemmen können. Doch auch der Fußball selbst steht vor einer Hürde. Der Jugendbereich ist häufig unattraktiv und schließt wiederum finanzschwache Familien aus, die Akademien sind auf modernen Fußball mit fixen Spielweisen ausgelegt und behindern ungewöhnliche Talente. Die Vereine wissen teils nicht, wie sie U-Mannschaften oder zweite Mannschaften finanziell stemmen sollen. Und über allem schwebt das steigende Desinteresse von Fans, die spannende Spiele sehen wollen, doch taktische Leistungen geliefert bekommen

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