Werbung | Schlag den Raab oder Neues aus Absurdistan

Hat jemand gestern Schlag den Raab gesehen? Nicht schlimm, schließlich verlangt der normale Voyeurismus eines jeden, bei „Besonderheiten“ dabei sein zu wollen und wenn schon nicht live vor Ort, so doch bitte live vorm TV. Dabei ist der Begriff der Besonderheiten denkbar weit gefasst, sei es, das Hinschauen-Müssen bei einem Verkehrsunfall, das Fremdschämen in den ersten Runden von Deutschland sucht den Superstar oder eben den Kampf eines alternden Moderators gegen einen Kandidaten um immens viel Geld. Irgendwie will man hinschauen. Wobei man natürlich nicht verkennen darf, dass einige (mich eingeschlossen) diese Sendung auch mangels Alternative im Free-TV an einem Samstag Abend anschauen, eine Tatsache, die nicht unbedingt für das mannigfache Programmangebot im deutschen Fernsehen spricht.

Analysiert man „Schlag den Raab“ als Abendunterhaltung einmal näher, wird man jedoch feststellen müssen, dass diese Sendung nicht unbedingt gut wegkommt:

  • Preisgeld:

Das Konzept der Sendung ist es, den Grundjackpot in Höhe von € 500.000 jeweils um eben diese Summe zu erhöhen, bis es einem Kandidaten gelingt, den Moderator in maximal 15 Spielchen und Spielen zu besiegen. Und da geht für mich als Zuschauen bereits das Grundproblem los: Für wen soll ich mitfiebern? Mit dem Kandidaten (meist ein pseudo-witziger durchtrainierter Sport- und Erdkundelehrer im Alter zwischen 25-35 aus dem Süden Deutschlands), dem ich es eigentlich nicht gönne, dass der im Falle eines Sieges am nächsten Montag im Gegensatz zu mir schon nicht mehr arbeiten gehen muss oder mit dem Moderator (dem allgegenwärtigen Stefan Raab, der neben dem Talent, immer gewinnen zu wollen und gewinnen zu müssen, auch die Begabung erbte, den Gegenspieler, den Moderator, das Studiopublikum und den Rest der TV-Republik mit seinen gefühlt 500 Fragen pro Spielrunde in den Wahnsinn zu treiben. Es ist die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera.

Was aber daneben unbedingt kritisiert werden muss, ist die Tatsache, dass der Kandidat, so wie gestern geschehen, auf einen Schlag 3,5 Mio € gewinnen kann. Ist das nicht etwas problematisch? Vor einigen Jahren feierte die „100.000“ DM Show auf RTL Premiere. Die Moderatorin war diese blonde TV-Domina Frau Ulla Kock am Brink. Und es ging ein Aufschrei durchs Land, ob es ethisch und moralisch in Ordnung sei, Kandidaten so viel Geld in ihren Rachen zu schmeißen. Und heute?

Heute wird einem Kandidaten ein so unfassbar hoher Betrag entgegen
geschmissen, dass man sich schon fragen muss, ob das noch vertretbar
ist. Wäre es nicht klüger und zumindest erträglicher, einem Kandidaten
die Möglichkeit zu geben, pro Sendung immer „nur“ € 500.000 (immer noch
unfassbar viel Geld) zu gewinnen und im Falle eines Obsiegens des
Moderators, das Geld z.B. zu spenden? Ich jedenfalls würde mich dann
besser fühlen, Herrn Raab die Daumen zu drücken und für den
unterliegenden Kandidaten wäre es sicher auch ein Trost, zu wissen, dass
das Geld einem guten Zweck zu Gute kommt und nicht als Obulus für den
nächsten Kandidaten dient.

  • Dauer der Show:

Um 20.15 Uhr geht es los, in der Regel dauert diese Sendung bis 1.00 Uhr
nachts. Fast fünf Stunden lang wird man mit Raabs bereits erwähnten
Nerv-Fragen beglückt, mit gefühlt 60 Werbeunterbrechungen,
Programmvorschauen und Gewinnspielen. Mir ist vollkommen klar, dass das
Geld ja dort, wo es mit beiden Händen einem Kandidaten ins Gesicht
geschmissen wird, auch wieder hereinkommen muss. Aber, Herrgott, es ist
so ermüdend. Ein guter Tipp an die TV-Zuschauer, die Sendung etwas
erträglicher zu gestalten: Schaut Euch die Sendung in einer illustren
Runde an und vereinbart, dass die Runde immer dann etwas
(hochprozentiges, wie etwa Wodka) trinken muss, wenn der Moderator die
Summe erwähnt, um die es an diesem Abend geht. Ihr werdet zwar
spätestens nach einer dreiviertel Stunde völlig dicht, mit 2,2 Promille
im Turm, vor der Glotze lallend nicht mehr viel von der Sendung
mitkriegen, aber hey, das ist ja auch der Sinn der Übung.

  • Gewinnspiel:

Leute, ruft an, es wird äquivalent zum
Multiplikator des Jackpots die Anzahl an Fahrzeugen verlost. Gestern
waren es sieben. Neben der Tatsache, dass es völlig gehirnamputiert
anmaßt, einer einzigen Person sieben Fahrzeuge vor die Tür zu stellen,
stellt sich doch die Frage, wie so etwas dann abläuft. Steht dann
irgendwann ein LKW vor meiner Wohnung und der Fahrer fragt mich, wo er
die sieben Autos abladen darf? Ja cool, wenn ich nicht grad ein
Autohändler mit zu viel Platz bin, ist doch wohl klar, dass dieses
Gewinnspielkonzept einfach nur hirnrissig ist. Wenigstens wird das
Konzept der absoluten Verschwendung hier in jeder Hinsicht bis zum
Schluss eiskalt durchgezogen.

Fazit:

All jenen, die diesen Artikel lesen und nun
neunmalklug sagen, dass ich das ja nicht schauen muss, sei gesagt, dass
mein Voyeurismus immer nur dann gewinnt, wenn wirklich nichts
Vernünftiges im TV läuft (und die Definition „etwas Vernünftigen“ ist
sehr, sehr weit zu fassen) und ich mir nach dieser absurden Sendung
gestern tatsächlich vorgenommen habe, sie nicht mehr zu konsumieren.

Sorry, Stefan, aber weder Deine Stock Car Rennen, noch Deine Wok-WM oder
Dein Turmspringen sind erträgliche oder gar gute Sendungen. Ob TV Total
noch läuft, weiß ich gar nicht, habs ewig nicht gesehen. Naja, viel
bleibt nicht mehr übrig…