Ich denke, jedem Fußballfan, und sei er noch so sehr von seinen Vereinsfarben geblendet, ist klar, dass es, wenn es um den Erwerb, den Verbleib oder den Verkauf von Spielern im Fußball geht, immer zwei Wahrheiten gibt, die eigentlich strikt voneinander getrennt sind.
Die eine Wahrheit ist die der Spieler und Fans.
Da behauptet dann ein Spieler, der zum vierten Mal innerhalb der letzten vier Jahre den Verein gewechselt hat selbstverständlich auch bei der vierten Pressekonferenz seiner Präsentation, dass er schon als Kind davon geträumt habe, für diesen Verein zu spielen. Und da er ja offenbar den selben Traum die drei Male zuvor bei den anderen Vereinen hatte, ist es ein Wunder, dass er vor lauter Träumereien in seiner Kindheit überhaupt noch Zeit hatte, fußballspielen zu gehen.
Der andere Spieler küsst öfter das Logo seines jeweils aktuellen Vereins auf seinem Jersey, als der Papst seinerzeit den Boden nach Flugreisen, ein dritter Spieler weint bei seiner Verabschiedung im Stadion so bitterliche Krokodilstränen, dass die Frage erlaubt sein muss, warum er denn überhaupt gehen wird, wenn doch momentan alles so toll ist.
Die andere Wahrheit ist die der Manager und Spieler/Spielerberater.
Was hinter der Bühne, jenseits der Treue- und Liebesschwüre der Spieler an die Fans abgeht sind knallharte Vertragspoker, es wird um jeden Euro, jedes Jahr Laufzeit und jeden Extra-Bonbon gefeilscht, dass jeder Verkäufer eines orientalischen Bazars vor Scham erblassen würde. Da spielt es denn keine Rolle mehr, ob man ein Kind aus der Gegend ist, dem Verein „alles zu verdanken“ hat, die Fans so sehr liebt, oder ähnliches.
Normalerweise stören sich beide Wahrheiten nicht, alle wissen Bescheid und ignorieren elegant die jeweils andere Wahrheit. Nur ab und an wird der Fan aus seinem Dornröschenschlaf geweckt und erhält einen schlüssellochgroßen Einblick in die Welt der anderen Wahrheit.
So geschehen am Wochenende, als ein gewisser Herr Schweinsteiger in die TV-Kameras sinngemäß säuselte, er habe seinen Vertrag mit dem FC Bayern verlängert, da sein Herz „rot“ schlage und er nach einem Insichkehren festgestellt hat, mit dem FCB die Chapionsleague zu gewinnen sei doch viel toller als mit Real Madrid. Das war die eine, den Fans bekannte Wahrheit.
Ein Uli Hoeneß zum gleichen Thema befragt lächelte bitter, als er hörte, was Herr Schweinsteiger über seine Vertragsverlängerung sagte und äußerte seinerseits: „Wir müssen uns davon verabschieden, dass auf diesem Niveau das Herz über einen Vertrag entscheidet. Wir haben nicht um Walnüsse gekämpft, sondern um harte Euro.“ Und weiter: "Wir haben gut bezahlt. (…) Das sind Profis, da geht es Gott sei Dank nur ums Geld."
Das ist die andere Wahrheit – ob es uns Fußballfans nun einmal passt oder nicht.